Mein Gruß an alle meine LeserInnen zum Jahreswechsel 2013 / 2014 verbunden mit den besten Wünschen für das neue Jahr
gemalt von Anne Anderson 1874-1930 |
Heute will ich das Märchen vom Mädchen mit den Schwefelhölzern in Erinnerung rufen. Meine Mutter erzählte es uns immer in der Weihnachtszeit, wir sollten nicht vergessen, dass es auch arme Kinder gab. Ich habe als kleines Mädchen geglaubt, dass wir doch nur nach draußen in die Winterkälte gehen müssten, um eines herein zu holen und zu retten. Ich stand am Fenster und habe darauf gewartet irgendwo den Schein von Streichhölzern zu sehen. Meine Mutter versprach mir, immer darauf zu achten, ob sie ein armes Kind sähe und wenn ja, dann wollte sie es mit zu uns nach Hause bringen. Wir haben nie eines gerettet im übertragenen Sinne, nur ab und zu mal durch eine Geste eine Not etwas gelindert. Als Kind war ich felsenfest davon überzeugt, wir müssten nur eines herein holen, es kann doch bei uns gut leben, es muss nicht in der Kälte sterben. Wie weit ist die Wirklichkeit doch von meinem Kinderglauben entfernt, schade.
Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern
Es war entsetzlich kalt; es schneite, und der Abend dunkelte
bereits; es war der letzte Abend im Jahre, Silvesterabend. In dieser Kälte und
in dieser Finsternis ging auf der Straße ein kleines armes Mädchen mit bloßen
Kopfe und nackten Füßen. Es hatte wohl freilich Pantoffel angehabt, als es von
Hause fortging, aber was konnte das helfen! Es waren sehr große Pantoffeln, sie
waren früher von seiner Mutter gebraucht worden, so groß waren sie, und diese
hatte die Kleine verloren, als sie über die Straße eilte, während zwei Wagen in
rasender Eile vorüberjagten; der eine Pantoffel war nicht wieder aufzufinden und
mit dem anderen machte sich ein Knabe aus dem Staube, welcher versprach, ihn
als Wiege zu benutzen, wenn er einmal Kinder bekäme.
Da ging nun das kleine Mädchen auf den nackten zierlichen
Füßchen, die vor Kälte ganz rot und blau waren. In ihrer alten Schürze trug sie
eine Menge Schwefelhölzer und ein Bund hielt sie in der Hand. Während des
ganzen Tages hatte ihr niemand etwas abgekauft, niemand ein Almosen gereicht.
Hungrig und frostig schleppte sich die arme Kleine weiter und sah schon ganz
verzagt und eingeschüchtert aus. Die Schneeflocken fielen auf ihr langes
blondes Haar, das schön gelockt über ihren Nacken hinabfloß, aber bei diesem
Schmucke weilten ihre Gedanken wahrlich nicht. Aus allen Fenstern strahlte
heller Lichterglanz und über alle Straßen verbreitete sich der Geruch von
köstlichem Gänsebraten. Es war ja Silvesterabend, und dieser Gedanke erfüllte
alle Sinne des kleinen Mädchens.
In einem Winkel zwischen zwei Häusern, von denen das eine
etwas weiter in die Straße vorsprang als das andere, kauerte es sich nieder.
Seine kleinen Beinchen hatte es unter sich gezogen, aber es fror nur noch mehr
und wagte es trotzdem nicht, nach Hause zu gehen, da es noch kein Schächtelchen
mit Streichhölzern verkauft, noch keinen Heller erhalten hatte. Es hätte gewiß
vom Vater Schläge bekommen, und kalt war es zu Hause ja auch; sie hatten das
bloße Dach gerade über sich, und der Wind pfiff schneidend hinein, obgleich
Stroh und Lumpen in die größten Ritzen gestopft waren. Ach, wie gut mußte ein
Schwefelhölzchen tun! Wenn es nur wagen dürfte, eins aus dem Schächtelchen
herauszunehmen, es gegen die Wand zu streichen und die Finger daran zu wärmen!
Endlich zog das Kind eins heraus. Ritsch! wie sprühte es, wie brannte es. Das
Schwefelholz strahlte eine warme helle Flamme aus, wie ein kleines Licht, als
es das Händchen um dasselbe hielt. Es war ein merkwürdiges Licht; es kam dem
kleinen Mädchen vor, als säße es vor einem großen eisernen Ofen mit
Messingbeschlägen und Messingverzierungen; das Feuer brannte so schön und
wärmte so wohltuend! Die Kleine streckte schon die Füße aus, um auch diese zu
wärmen - da erlosch die Flamme. Der Ofen verschwand - sie saß mit einem Stümpchen
des ausgebrannten Schwefelholzes in der Hand da.
Ein neues wurde angestrichen, es brannte, es leuchtete, und
an der Stelle der Mauer, auf welche der Schein fiel, wurde sie durchsichtig wie
ein Flor. Die Kleine sah gerade in die Stube hinein, wo der Tisch mit einem
blendend weißen Tischtuch und feinem Porzellan gedeckt stand, und köstlich
dampfte die mit Pflaumen und Äpfeln gefüllte, gebratene Gans darauf. Und was
noch herrlicher war, die Gans sprang aus der Schüssel und watschelte mit Gabel
und Messer im Rücken über den Fußboden hin; gerade die Richtung auf das arme
Mädchen schlug sie ein. Da erlosch das Schwefelholz, und nur die dicke kalte
Mauer war zu sehen.
Sie zündete ein neues an. Da saß die Kleine unter dem
herrlichsten Weihnachtsbaum; er war noch größer und weit reicher ausgeputzt als
der, den sie am Heiligabend bei dem reichen Kaufmann durch die Glastür gesehen
hatte. Tausende von Lichtern brannten auf den grünen Zweigen, und bunte Bilder,
wie die, welche in den Ladenfenstern ausgestellt werden, schauten auf sie
hernieder, die Kleine streckte beide Hände nach ihnen in die Höhe - da erlosch
das Schwefelholz. Die vielen Weihnachtslichter stiegen höher und höher, und sie
sah jetzt erst, daß es die hellen Sterne waren. Einer von ihnen fiel herab und
zog einen langen Feuerstreifen über den Himmel.
Silvester und Feuerwerk "Jetzt stirbt jemand!" sagte die Kleine, denn die
alte Großmutter, die sie allein freundlich behandelt hatte, jetzt aber längst
tot war, hatte gesagt:"Wenn ein Stern fällt, steigt eine Seele zu Gott
empor!"Sie strich wieder ein Schwefelholz gegen die Mauer; es warf
einen weiten Lichtschein ringsumher, und im Glanze desselben stand die alte
Großmutter hell beleuchtet mild und freundlich da."Großmutter!" rief die Kleine, "oh, nimm mich
mit dir! Ich weiß, daß du verschwindest, sobald das Schwefelholz ausgeht,
verschwindest, wie der warme Kachelofen, der köstliche Gänsebraten und der
große flimmernde Weihnachtsbaum!" Schnell strich sie den ganzen Rest der
Schwefelhölzer an, die sich noch im Schächtelchen befanden, sie wollte die Großmutter
festhalten; und die Schwefelhölzer verbreiteten einen solchen Glanz, daß es
heller war als am lichten Tag. So schön, so groß war die Großmutter nie
gewesen; sie nahm das kleine Mädchen auf ihren Arm, und hoch schwebten sie
empor in Glanz und Freude; Kälte, Hunger und Angst wichen von ihm - sie war bei
Gott.Aber im Winkel am Hause saß in der kalten Morgenstunde das
kleine Mädchen mit roten Wangen, mit Lächeln um den Mund - tot, erfroren am
letzten Tage des alten Jahres. Der Morgen des neuen Jahres ging über der
kleinen Leiche auf, die mit den Schwefelhölzern, wovon fast ein Schächtelchen
verbrannt war, dasaß."Sie hat sich wärmen wollen!" sagte man. Niemand
wußte, was sie Schönes gesehen hatte, in welchem Glanze sie mit der alten
Großmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war.
Andersen, Hans Christian (1805-1875)
Andersen, Hans Christian (1805-1875)
Danke liebe Claudia für dieses schöne Märchen, deine Gedanken dazu sind edel, auch wenn es nur ein Märchen ist. Du hast recht, wir können keine Kinder mehr auf diese Art retten, wie du es beschreibst, aber wir können ihnen mehr Zuwendung zukommen lassen. Vor allem vonseiten des Staates ... Dir und deinem Mann wünsche ich auch ein frohes und vor allem ein gesundes neues Jahr. Mögen all eure Wünsche in Erfüllung gehen.
AntwortenLöschenGanz liebe Grüße, Margot.
Liebe Claudia,
AntwortenLöschenich habee dieses Märchen von Hans Christian Andersen schon oft gelesen. Gerade zur Weihnachtszeit berühren uns solche Geschichten sehr, weil wir uns wünschen, dass es keine Not, kein Elend mehr auf Erden geben möge.
Wie Margot schon schrieb können wir Kinder auf diese Art nicht mehr retten, aber jeder Einzelne von uns kann einen Beitrag leisten, um Not zu lindern.
Ich wünsche dir und deinem Mann von Herzen ein schönes, gesundes und frohes Jahr 2014. Möge es das für euch bereit halten, was ihr euch selbst von ihm erhofft und wünscht.
Alles Liebe
Christa