Montag, 20. August 2012

Meine Großeltern


Maria Margaretha Goussanthier 20.08.1905

  Friederich Wilhelm Desch 13.12.1902 
   


Heute vor 107 Jahren wurde meine Großmutter Maria Margaretha Goussanthier in Conradsheim bei Lechenich geboren. Sie war die Tocher von Alfons Goussanthier und seiner Frau Scholastica Antonia Goussanthier geborene Horlaender und sie wurde während der Fahrt durch die Lande im Planwagen geboren, denn meine Urgroßeltern waren Sinti. Sie hatten ihren eigentlichen Wohnsitz  in Rothbach im Kreis Hagenau, das war in Elsass-Lothringen. Mein Urgroßvater war Pferdehändler und meine Urgroßmutter handelte mit Kurzwaren und Spitzen. Sie zogen dann später nach Euskirchen und hatten dort ein kleines Haus. Dort ging meine Oma zur Schule und immer wenn möglich, ging sie mit den Eltern und anderen Verwandten auf Fahrt.
Auf einer ihrer "Reisen" lernte meine Großmutter dann in Nauborn in Hessen meinen Großvater Friederich Wilhelm Desch kennen. Das junge Glück sieht man auf dem Bild, meine Großeltern waren sehr verliebt und haben gegen die Widerstände ihrer Familien geheiratet. Auf der einen Seite eine Sinti - Familie, auf der anderen Seite eine typisch hessische Familie. Meine Großeltern lebten, von ihrer Hochzeit 1927 an, in Marburg an der Lahn und bekamen 6 Kinder. Der 2. Weltkrieg brachte meinen Großeltern eine schwere Zeit. Der Großvater zog in den Krieg, die Großmutter blieb mit den Kindern, ungeschützt vor den Anfeindungen und der Verfolgung  wegen ihrer Herkunft als Sinti, ganz allein auf sich gestellt zurück. Einige unserer Angehörigen sind in Konzentrationslagern umgekommen. 




Meine Großmutter hatte das Glück, dem geschickt zu entgehen. Sie überlebte, weil sie es unter anderem verstand, sich im Wald das zu holen, was sie brauchte, um mit ihren 6 Kindern allein durchzukommen. Mein Vater erzählte, dass immer irgendetwas gesammelt wurde. Pilze, Tannenzapfen, Waldmeister, Walderdbeeren, Reisig, Moos, Holz. Es wurde getauscht oder verkauft und das half zu überleben. Marburg blieb während des 2. Weltkrieges zum Glück weitgehend unversehrt. Nur der Bahnhof war Ziel von Angriffen. Mein Großvater kam in russische Gefangenschaft und kam erst 1949 aus dem Krieg zurück. Oma fuhr oft allein auf Hamsterfahrten und auch auf Verkaufstour mit dem Bauchladen. Opa machte mit, als er zurückkam, Arbeit gab es sonst keine.   



Meine Großeltern haben dann einen kleinen Schreibwarenladen in der Weidenhäuserstraße eröffnet. Marburg ist eine Universitätsstadt und lebt mit ihren vielen Studenten. Oma und Opa hatten Erfolg mit ihrem Geschäft und waren dann in den 60-zigern stolze Besitzer eines Vorder- und Hinterhauses mit Studenten-Zimmer-Vermietung. Ich durfte oft meine Ferien bei ihnen verbringen. Entweder fuhr Oma mit mir auf den Campingplatz oder wir halfen Opa im Laden.
Manchmal kam auch meine Mutter , um die Schwiegereltern im Laden zu vertreten. 1970 setzten sich die Großeltern dann zur Ruhe, verkauften ihr Haus und zogen in eine kleine Wohnung ganz in der Nähe ihrer Wirkungsstätte. Sie haben ihren Ruhestand noch genießen können und ich bin noch oft später mit meinem Mann  und unseren Kindern bei ihnen in Urlaub gewesen. Das waren schöne Zeiten. Und was habe ich gemacht beruflich? Ich war nach meiner Jung-Mutter-Familien-Phase lange Jahre stolze selbständige Kioskbetreiberin. Vorher hatte ich eine Lehre in einer Buch- und Schreibwarenhandlung  zur Einzelhandelskauffrau absolviert. Da kamen mir meine Kindheitserfahrungen zu gute. Meine Oma hat das noch erlebt und sich sehr gefreut, dass ihre Enkeltochter in ihre Fußstapfen trat. Mein Opa starb mit 83 Jahren und meine Oma wurde 88 Jahre alt. Mein Mann und ich nehmen uns Oma's Alter als Vorbild. Wir wollen gerne, wie sie, 88 Jahre alt werden. Wir geben uns Mühe.  

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